Dr. Michael Schmidt-Salomon (Trier)

Was ist Wahrheit?

Das Wahrheitskonzept der Aufklärung im weltanschaulichen Widerstreit

[Manuskript eines Vortrags aus dem Jahr 2002, publiziert in der Zeitschrift "Aufklärung & Kritik" (2/2003) sowie in "Anleitung zum Seligsein" (Alibri 2011)]

 

Es ist vielleicht bezeichnend, dass die wohl fundamentalste Frage der Philosophie – nämlich die Frage nach der „Wahrheit“ – nicht mit dem Namen eines bedeutenden Philosophen verknüpft  ist, sondern mit dem Namen eines politischen Funktionärs: mit Pontius Pilatus. Der Statthalter des römischen Reiches hatte – folgt man dem Text des Neuen Testamentes – erhebliche Schwierigkeiten, die Ausführungen seines posthum berühmt gewordenen Gefangenen Jesus von Nazareth nachzuvollziehen. Dieser behauptete doch allen Ernstes, als König eines jenseitigen Reiches in die Welt gekommen zu sein, um für „die Wahrheit“ Zeugnis abzulegen. In der wohl rhetorisch gemeinten Frage des Pilatus „Was ist Wahrheit?“ spiegelt sich ein gehöriges Maß an Skepsis wider – nicht nur gegenüber den konkreten Ausführungen des vor ihm erschienenen Gefangenen, sondern auch (zumindest wird die Pilatusfrage heute meist in diesem weiterführenden Sinn verstanden) gegenüber dem Wahrheitsbegriff im Allgemeinen. Schauen wir uns die entsprechende Passage des Johannesevangeliums (Joh 18,33-40) etwas genauer an:

Pilatus […] ließ Jesus rufen und fragte ihn: Bist du der König der Juden?  […]
Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden [sic!] nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier. 
Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König?
Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. 
Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?
Nachdem er das gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: Ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen.  Ihr seid gewohnt, dass ich euch am Paschafest einen Gefangenen freilasse. Wollt ihr also, dass ich euch den König der Juden freilasse?
Da schrieen sie wieder: Nicht diesen, sondern Barabbas! Barabbas aber war ein Straßenräuber.

Untersucht man die in dieser Erzählung enthaltenen Wahrheitsauffassungen, so muss man feststellen, dass Jesus hier in der Rolle des metaphysischen Wahrheitsdogmatikers auftritt, als einer, der überzeugt ist, dass alles, was er sagt, einer „höheren Wahrheit“ entspricht, und der betont, dass jeder, der es mit „der Wahrheit“ Ernst meine, auf seine Stimme hören müsse. Pilatus erscheint demgegenüber geradezu als toleranter Wahrheitspragmatiker, dem jenseitig begründete Wahrheitsansprüche relativ schnuppe sind, solange sie nicht die Ordnung und Verfassung des Römischen Reiches gefährden.  Ihm genügt es, zu hören, dass das Jesuanische Königreich nicht von dieser Welt ist. Damit ist für ihn der Fall eigentlich erledigt. Dass er sich schließlich doch noch dazu überreden lässt, den vermeintlichen „König der Juden“ zum Kreuzestod zu verurteilen, hat rein pragmatische Gründe. Er folgt besänftigend dem Willen der aufgebrachten jüdischen Gemeinde, die angeblich den Gefangenen am Kreuz sehen will.

Nun ist die Bibel bekanntlich ein von Menschen gemachtes „Gottes-Wort“. Sie gibt über weite Teile nicht das tatsächliche historische Geschehen wieder, sondern deutet die Geschichte im Interesse des Glaubens um. So auch in diesem Fall. Wie wir der historisch-kritischen Forschung entnehmen können[1], besaßen die Juden niemals das Vorrecht, Gefangene am Paschafest freizubekommen. Die gesamte Jesus-Barabas-Pilatus-Episode muss als eine historische Fälschung begriffen werden, und zwar als eine Fälschung, die vorrangig einem Zweck diente: der nachträglichen Reinwaschung der Römer, unter denen man weitere Anhänger der christlichen Lehre zu gewinnen hoffte. Die Rolle des Sündenbocks wurde auf die Juden übertragen, von denen sich zur argen Enttäuschung der frühen Christen nur wenige zum Christentum bekehren ließen. Wie wir heute wissen, verfehlte die Umdeutung der historischen Geschehnisse nicht das angestrebte Ziel: Mit ihrer Hilfe konnte sich das Christentum später zur römischen Staatsreligion aufschwingen, allerdings auf Kosten eines verheerenden Antijudaismus, der vom Richtplatz des Pilatus mehr oder weniger direkt bis nach Auschwitz führte.[2]

In Wirklichkeit wird sich der Disput zwischen Pilatus und Jesus – sofern er überhaupt stattgefunden hat – weit weniger freundlich abgespielt haben. Jesus, der unter seinen Jüngern auch Mitglieder der militanten Gruppe der Zeloten versammelt hatte, dürfte sich als der von Gott gesandte Befreier des jüdischen Volkes empfunden haben, schließlich war dies die verheißene Rolle des „Messias“. Der totale Wahrheitsanspruch des jüdischen Gelehrten Jesus von Nazareth erstreckte sich im Gegensatz zur zitierten Stelle nicht nur auf das Jenseits, sondern auch auf das Diesseits und musste daher notwendigerweise mit den Interessen des römischen Statthalters kollidieren. Die durch Pilatus repräsentierte Besatzungsmacht zeigte zwar in der Regel durchaus Toleranz gegenüber den religiösen Gebräuchen der unterdrückten Völker (deshalb ließ sie auch Steinigungen vermeintlicher Ketzer zu, wie die Bibel berichtet), diese Toleranz hatte aber klare Grenzen: Aufwiegler gegen Rom waren dazu verdammt, am Kreuz zu enden – als deutliches Warnsignal für potentielle Nachahmer. Die emphatisch verkündete „Wahrheit“ des jüdischen Rabbi hatte damals also keine allzu großen Überlebens-Chancen.

Hieran schließt sich nun ein weiterführender Gedanke an: Kann man aus der Pilatusgeschichte folgern, dass die Frage nach der Wahrheit im Grunde letztlich eine Frage nach der jeweiligen Definitionsmacht von Wahrheit ist? Wenn dem so wäre, müsste man – konsequent gedacht – Wahrheit als eine bloß relative, historisch-soziale Größe verstehen. In diesem Fall gäbe es nicht die eine Wahrheit, die für alle verbindlich ist, sondern allenfalls von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich konstruierte Wahrheiten, die sich mitunter sogar widersprechen könnten. Ein gänzlich abwegiger Gedanke? Nicht unbedingt! In der Tat sind einige Philosophen für einen derartigen Wahrheitspluralismus eingetreten. Besonders deutlich kam dieser relativistische Ansatz im Werk von Paul Feyerabend zur Geltung, mit dem wir uns nachfolgend kurz beschäftigen möchten.

 

Ist Wahrheit relativ? Paul Feyerabends Wahrheitspluralismus

Paul Feyerabend war der große Dissident der modernen Wissenschaftstheorie, ein Rationalist, der den Rationalismus solange hinterfragte, bis dieser sich verflüchtigte, ein Popper-Schüler, der nach vielen Jahren erkenntnistheoretischer Bemühungen  die erstaunliche Forderung erhob, Erkenntnistheorie durch Bürgerinitiativen zu ersetzen. Feyerabend machte deutlich, dass es nicht möglich ist, irgendeine qualitative Bewertung einer Tradition vorzunehmen, die nicht ihrerseits selbst von Traditionen geprägt ist. Ob eine Tradition bzw. ein Aspekt einer Tradition wahr oder falsch, gut oder schlecht, vernünftig oder unvernünftig ist, lässt sich nach Feyerabend nicht objektiv (d.h. traditionsübergreifend) beurteilen. In Feyerabends Klassiker „Erkenntnis für freie Menschen“ heißt es hierzu: „Traditionen sind weder gut noch schlecht; sie existieren einfach. ‘Objektiv’, das heißt unabhängig von Traditionen, gibt es keine Wahl zwischen einer humanitären Einstellung und dem Antisemitismus.“[3] Er fährt fort: „Eine Tradition erhält erwünschte und unerwünschte Züge nur, wenn man sie auf eine Tradition bezieht, das heißt, wenn man sie als Teilnehmer einer Tradition betrachtet und aufgrund der Werte dieser Tradition beurteilt.“ [4] An die Stelle des rationalen Diskurses, in dem das Wechselspiel der Argumente zu verbesserten Einsichten führt, tritt somit der weltanschauliche „Widerstreit“, in dem die unterschiedlichen Meinungen bestehen bleiben, weil keine für alle Seiten einsichtige Lösung des Problems möglich ist. [5]

Um diese unerquickliche Situation zu illustrieren, wollen wir nochmals zu dem Disput zwischen Jesus und Pilatus zurückkehren – und zwar dieses Mal in seiner historisch wahrscheinlicheren Variante: Demnach vertritt Jesus die orthodoxe jüdische Tradition. Er versteht das Judentum als das „auserwählte Volk Gottes“ und sich selbst als den lang verheißenen „Messias“, der mit Gottes Hilfe das Volk von der römischen Besatzungsmacht befreien wird. Da Jahwe keinen anderen Gott neben sich duldet, kann Jesus den römischen Gottkaiserkult nicht anerkennen. Deshalb reagiert er überaus allergisch auf die Geldwechsler im Jerusalemer Tempel, ist doch auf diesen „blasphemischen“ Münzen der römische Gottkaiser abgebildet. Für Jesus gibt es keinen anderen Gott als Jahwe, der römische Kaiser ist für ihn eine „Götze“, ein Zeichen der Unwahrheit, das es zu beseitigen gilt.

Sein Kontrahent Pilatus hingegen vertritt die römische Tradition. Wenn es ein auserwähltes Volk der Götter gibt, dann ist es seiner Meinung nach selbstverständlich das römische, schließlich ist dessen Erfolg als imperiale Großmacht schwer von der Hand zu weisen. Warum sollte er sich ausgerechnet von einem dahergelaufenen jüdischen Wanderprediger vom Gegenteil überzeugen lassen? Dessen Gott Jahwe ist offensichtlich nicht einmal in der Lage, sein ihm anvertrautes Volk in Freiheit leben zu lassen! Damit ist für Pilatus der jüdische Glaube hinreichend widerlegt. Mehr noch: Der Statthalter weiß, dass der Allmachtsanspruch des jüdischen Glaubens für die eigene Tradition hochgradig gefährlich ist, denn dieser rüttelt – wie die vielen Aufstände in Jerusalem gezeigt haben - an den für Pilatus gerechtfertigten Ansprüchen Roms. Deshalb verfährt der Statthalter des römischen Reiches im Fall Jesus genauso konsequent wie er es in all den anderen Fällen getan hat, in denen er jüdischen „Messiassen“ (damals eine regelrechte Modeerscheinung!) gegenübergestanden hat: Er verurteilt den Delinquenten eiskalt zum Tod am Kreuz, nebenbei: eine der grausamsten Hinrichtungsmethoden, die Menschen je erdacht haben.

Jesus und Pilatus, beide argumentieren folgerichtig innerhalb ihrer eigenen Tradition. Die Kritik an der Tradition des anderen ist nur verständlich, wenn man sie auf die jeweils eigene Tradition bezieht. Ein Konsens zwischen den beiden ist ausgeschlossen, schließlich sind beide Kontrahenten fest davon überzeugt, jeweils die Wahrheit auf ihrer Seite zu haben. Eben deshalb kann der Widerstreit der beiden auch nicht durch Argumente gelöst werden, sondern allein durch Gewalt, die Pilatus dann auch bedenkenlos einsetzt, um die Ziele seiner Tradition gegen die weltanschauliche Konkurrenz durchzusetzen.

Nehmen wir nun an, wir könnten uns in eine Zeitmaschine setzen und als „aufgeklärte Menschen“ des 21. Jahrhunderts an dem Disput teilnehmen. Würden unsere Argumente, dass die Götter der Geschichte von Menschen geschaffen wurden, dass es keine auserwählten Völker gibt, dass wir allesamt gleichberechtigte Mitglieder der Gattung Homo sapiens sind usw., bei Jesus und Pilatus auf offene Ohren stoßen? Wohl kaum. Wir wären gut beraten, möglichst schnell zu unserer Zeitmaschine zurückzukehren, wollten wir nicht selber am Kreuz landen bzw. einer Steinigung durch erboste Juden oder einer Dämonenaustreibung durch den „Heiland“ persönlich zum Opfer fallen.

Müssen wir aber hieraus – wie Feyerabend uns nahe legen würde – tatsächlich schließen, dass Wahrheit relativ ist, dass sie nichts weiter ist als eine Konstruktion, die von wandelbaren historischen und sozialen Interessen bestimmt wird? Immerhin – so würden wir doch meinen – ist es schwerlich zu leugnen, dass wir in dem Diskurs die besseren Argumente zur Hand zu haben, oder etwa nicht? Feyerabend würde hierauf antworten, dass uns unsere Argumente nur deshalb als die besseren Argumente erscheinen, weil sie unserer eigenen Tradition entstammten. Losgelöst von dieser Tradition seien unsere Argumente ebenso wenig überzeugend wie die Argumente unserer Kontrahenten. Hierauf könnten wir nun entgegnen, dass unsere Argumente im Unterschied zu den überholten Meinungen von Pilatus und Jesus auf präzisen wissenschaftlichen Urteilen aufbauen und dass der Erkenntnisfortschritt der Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten doch von niemandem ernsthaft bestritten werden könne.

Auch hier würde uns Feyerabend energisch in die Parade fahren. Warum – würde er fragen – sollte Wissenschaft eine höhere Wahrheitsgewähr besitzen als zum Beispiel das Kartenlegen, die Zahlenmystik oder die Schlagzeilen der Boulevardpresse? Schließlich ist die Wissenschaft nur eine Tradition unter vielen Traditionen. Sie hat keinen Anspruch auf einen privilegierten Zugang zur Wirklichkeit und sie beeindruckt in Wirklichkeit auch nur denjenigen, der ohnehin von ihr geprägt ist. Zitat Feyerabend:

„Die Anwendung auf die Wissenschaften sind klar. Wir haben hier eine besondere Tradition, die gleichberechtigt an die Seite anderer Traditionen tritt [...]. Ihre Ergebnisse sind großartig, fast göttlich für gewisse Traditionen, abscheulich für andere, kaum ein Gähnen wert für wieder andere Traditionen. Unsere wohltrainierten materialistischen Zeitgenossen bersten natürlich vor Begeisterung, wenn von Dingen wie den Mondfahrten, der Doppelhelix, der Einsteinschen Raumzeitlehre die Rede ist. Aber sehen wir die Sache von einem anderen Standpunkt aus an, und sie wird eine lächerliche Übung in Nutzlosigkeit. Milliarden von Dollars, Tausende von wohltrainierten Assistenten, Jahre harter Arbeit wurden eingesetzt, damit ein paar nicht zu intelligente und ziemlich beschränkte Zeitgenossen unbeholfene Sprünge an einem Ort ausführen konnten, den nie ein vernünftiger Mensch je würde besuchen wollen - auf einem ausgetrockneten, luftlosen, heißen Stein. Aber Mystiker haben ohne Geld, ohne Assistenten, ohne einen Stab von Wissenschaftlern mit Hilfe ihres Geistes allein das Universum durchkreuzt, bis sie schließlich Gott selbst in all seiner Herrlichkeit sahen, und sie brachten zurück nicht trockene Steine, sondern Trost für die Menschheit. Natürlich macht man heute solche Behauptungen lächerlich und nennt sie abergläubisch - aber das zeigt nur die geistige Unmündigkeit des allgemeinen Publikums und ihrer strengen Lehrer, der Intellektuellen. Eine freie Gesellschaft schließt eine solche Unmündigkeit nicht aus, gestattet ihr aber auch nicht, Erziehung, Geldmittel, Forschung allein zu beeinflussen.“ [6]

Fragen wir uns, was von dieser radikalen und einigermaßen verwirrenden Position Feyerabends zu halten ist. Müssen wir wirklich hinnehmen, dass Wahrheit zu einem relativen und damit auch beliebigen Begriff wird? Ist es in irgendeiner Weise sinnvoll, davon auszugehen, dass jede Tradition (ja möglicherweise jeder einzelne Mensch!) eine eigene Definition von Wahrheit besitzt?

Es ist nicht zu bestreiten, dass Feyerabends Ansatz durchaus Vorteile in sich birgt. So kann er uns helfen, nachzuvollziehen, wie es möglich ist, dass manche Menschen mit vollem Ernst und Engagement Dinge für wahr halten, die uns auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis als völlig irrsinnig erscheinen müssen (beispielsweise die Determination des Schicksals durch die Sternenkonstellation zum Zeitpunkt der Geburt oder der Glaube an die Himmelfahrt der „Gottesmutter“ Maria). Ein weiterer Pluspunkt des Feyerabendschen Relativismus ist darin zu sehen, dass er unseren Blick dafür schärft, dass auch unsere eigene Vorstellung von Wahrheit einer spezifischen Tradition entspringt, d.h. dass es sich hier um eine spezifische Konstruktion von Wahrheit handelt, also um eine Wahrheit für uns – nicht um eine prinzipiell für alle Menschen verbindliche Wahrheit an sich.

Allerdings: Selbst wenn wir auf diese Weise anerkennen wollen, dass unsere auf wissenschaftlicher Methodik beruhende Konzeption von Wahrheit möglicherweise nicht die einzig mögliche Version „der Wahrheit“ darstellt, sondern dass sich diese Konzeption nur innerhalb unserer Tradition als zweckmäßig erwiesen hat, so ist damit noch lange nicht ausgeschlossen, dass es vielleicht nicht doch sinnvoll wäre, diese Wahrheitskonzeption auch in Regionen zu exportieren, die bislang vornehmlich von anderen Traditionen geprägt worden sind. Schließlich darf man nicht übersehen, dass der Feyerabendsche Wahrheitspluralismus, der auf den ersten Blick zweifellos sympathisch und tolerant wirkt, bei genauerer Betrachtung jeden erdenklichen,  mit Wahrheitsanspruch auftretenden, fundamentalistischen Irrsinn gewähren lässt – von der Klitorisbeschneidung, über die Witwenverbrennung bis hin zur systematischen Abschlachtung vermeintlicher „Sünder“. [7]

Darüber hinaus steht Feyerabends Relativismus wie jeder andere Relativismus logisch auf wackligen Beinen. Warum? Weil er sich selbst als absolut gültig setzen muss, um begründen zu können, dass sich keine Tradition als absolut gültig setzen darf. Wenn aber die Aussage, alle Wahrheit sei relativ, als absolute Wahrheit begriffen werden muss, dann führt sich der Relativismus nicht nur selbst ad absurdum, er ermöglicht auch dem Vertreter des aufklärerischen Wahrheitskonzepts, die eigene Position ohne schlechtes Gewissen auf ähnliche Weise mit universalistischen Ansprüchen zu versehen. [8]

 

Logik, Empirie und Humanität: Das Wahrheitskonzept einer zeitgemäßen Aufklärung

Der aristotelischen Logik zufolge, können zwei Aussagen, die sich in ein und derselben Hinsicht widersprechen, bekanntlich nicht beide wahr sein. Wissenschaftliche Aufklärung ist darauf ausgerichtet, derartige Widersprüche durch logische und empirische Überprüfung aufzuheben und für ein vorgegebenes Problem systematisch die fruchtbarste, effizienteste Lösungsmethode zu ermitteln.

Lässt sich über dieses abstrakte Arbeitsprogramm hinaus die Wahrheitstheorie, die dem Projekt der Aufklärung zugrunde liegt (oder besser gesagt: die dem Projekt der Aufklärung auf der Basis heutiger Erkenntnisse zugrunde liegen sollte!) genauer spezifizieren? Im Unterschied zu manchen anderen Autoren denke ich, dass dies sehr wohl möglich ist. Um es auf eine knappe Formel zu bringen: Die Aufklärung beruht notwendigerweise auf einer pragmatischen, hypothetisch korrespondierenden Kohärenztheorie der Wahrheit.

Zweifellos bedarf diese, auf den ersten Blick vielleicht monströs erscheinende Formel der Erläuterung. Beginnen wir zunächst mit dem Begriff „Kohärenztheorie“: Innerhalb der Kohärenztheorie gilt eine Aussage dann als wahr, wenn sie logisch schlüssig ist, d.h. wenn keine Widersprüche zu den jeweiligen Vorannahmen bestehen. Es handelt sich hier also um einen Wahrheitsbegriff, der von den Gesetzen der Logik bestimmt wird. Mithilfe dieser Konzeption kann ein Mathematiker bestens wahre von falschen Aussagen unterscheiden, für den Empiriker aber ist dieser kohärenztheoretische Wahrheitsbegriff unbefriedigend. Schließlich gelten im Kontext dieser Theorie auch offensichtlich unsinnige Aussagen als wahr, wenn sie fehlerfrei aus unsinnigen Vorannahmen geschlossen wurden.

Ein Beispiel möge dies illustrieren: Aussage Nr.1: Philosophen sagen immer die Wahrheit. Aussage Nr.2. Wer immer die Wahrheit sagt, erhält zur Belohnung eine lebenslange, monatliche „Wahrheitsrente“ in Höhe von 10.000 Euro. Logischer Schluss und damit „wahre Aussage“ innerhalb der Kohärenztheorie wäre: Philosophen kommen in den Genuss einer lebenslangen, monatlichen „Wahrheitsrente“ von 10.000 Euro. Wie man an diesem hinreichend absurden Beispiel, das mit der Lebenswirklichkeit des Verfassers schwerlich übereinstimmt, sieht, bedarf das kohärenztheoretische Wahrheitsmodell dringend der Ergänzung.

Diese Ergänzung finden wir in der sog. „Korrespondenztheorie“.  Hier gilt eine Aussage dann als wahr, wenn sie mit der Realität übereinstimmt. Das klingt zunächst plausibel, aber hier stehen wir vor dem Problem, wie diese „Übereinstimmung“ mit der Realität überprüft werden kann. Spätestens seit Kant wissen wir doch, dass das „Ding an sich“, also die „Realität jenseits unserer Wahrnehmung“, nicht erkennbar ist.[9] Ja, wir wissen nicht einmal, ob eine solche Realität überhaupt existiert!

Nietzsche sprach völlig zu Recht davon, dass die „Gesetzmäßigkeit der Natur“, von der die Physiker so stolz redeten, „Interpretation“ sei, nicht „Text“.[10] Da aber die Interpretation eines Textes so etwas wie einen realen Text voraussetzt (auch wenn dieser „an sich“ nicht gelesen werden kann), macht es Sinn, von einem hypothetischen Realismus [11]  auszugehen, d.h. hypothetisch eine Wirklichkeit zu unterstellen, die losgelöst von unserer Wahrnehmung existiert. Wir müssen eine solche Wirklichkeit schon allein deshalb hypothetisch annehmen, weil wir nur dadurch der Gefahr einer im "reinen Denken" verhafteten Metaphysik entgehen können. 

Im Rahmen einer derart konstruierten, hypothetisch korrespondierenden Wahrheitstheorie gelten Aussagen dann als wahr, wenn sie mit der hypothetisch unterstellten Wirklichkeit übereinstimmen. Wie aber soll die Übereinstimmung von Aussagen mit der an sich (d.h. theoriefrei) nicht zugänglichen Realität überprüft werden? Ganz einfach: Mittels geeigneter empirischer Verfahren. Wodurch aber sind diese Verfahren begründet? Antwort: Durch theoretisch abgesicherte Regelwerke, die – und hier sieht man die notwendige Ergänzung der hypothetischen Korrespondenztheorie durch die Kohärenztheorie – in ihrem Aufbau keine logischen Widersprüche enthalten dürfen.

Nun reicht die logische Kohärenz der empirischen Modelle alleine zu ihrer Legitimierung nicht aus, sie bedürfen einer weiteren, zusätzlichen Eigenschaft: Sie müssen sich nämlich in der Praxis als nützliche Instrumente der Problemlösung  erwiesen haben bzw. die Annahme rechtfertigen, dass sie sich in Zukunft als nützlich erweisen können. Auf diese Weise wird der hypothetisch korrespondierenden Kohärenztheorie ein pragmatisches Element hinzugefügt oder besser gesagt: zugrunde gelegt.

Lange Zeit wurde übersehen, dass jede Form der Erkenntnis (auch das auf Logik und Empirie beruhende wissenschaftliche Erkenntnisprogramm!) vom Kriterium des Nutzens bestimmt wird. Unser Erkenntnisapparat ist nicht auf eine zweckfreie, „reine Erkenntnis“ der „Wahrheit“ ausgerichtet, sondern in erster Linie auf das Überleben des erkennenden Organismus. [12] Evolutionär gesehen hat unsere Erkenntnisfähigkeit in dieser Hinsicht keine andere Funktion als beispielsweise unser Bewegungsapparat. Im Laufe der kulturellen Evolution haben sich die Zwecke und die Mittel der Erkenntnis zwar ausdifferenziert, am Grundtatbestand hat sich aber selbstverständlich nichts geändert: Unsere Erkenntnisse sind weiterhin zweckbestimmt – und dies betrifft nicht nur die Auswahl der Probleme, die mithilfe verbesserter Erkenntnis gelöst werden sollen, sondern auch die Auswahl der geeignet erscheinenden Erkenntniswerkzeuge.

Für eine eindeutige Bestimmung des aufklärerischen Wahrheitsbegriffs ist es daher notwendig, eine klare Zieldefinition anzugeben, denn erst diese erlaubt die begründete Auswahl relevanter Probleme und Lösungsmethoden. Anders formuliert: Die wissenschaftlichen Erkenntnisverfahren Logik und Empirie sind nicht in sich selber begründet, sondern werden im Kontext des aufklärerischen Programms erst dadurch legitimiert, dass sie sich als die am besten geeigneten Instrumente zur Erreichung des von der Aufklärung vorgegebenen Ziels erwiesen haben.

Worin besteht nun dieses zentrale Ziel der Aufklärung? Um es kurz zu machen: Es besteht in der normativen Forderung der Humanisierung der menschlichen Lebensverhältnisse, d.h. in der Aufhebung all jener Zustände, die Menschen daran hindern, das Projekt des guten Lebens im Diesseits zu verwirklichen. [13] Würden wir dieses noble Ziel eher durch Gebete, durch Kartenlegen oder Kaffeesatzlesen erreichen als durch Logik und Empirie, gäbe es keinen Grund, weiterhin auf Wissenschaft zu setzen. Solange wir aber keine effizienteren Methoden der Problemlösung zur Verfügung haben als Logik und Empirie, ist der Aufklärer gehalten, sich der wissenschaftlichen Methodik nach bestem Wissen und Gewissen zu bedienen.

Um an dieser Stelle vorhersehbare Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich dieser kurzen Skizze des aufklärerischen Wahrheitskonzepts vier Anmerkungen hinzufügen:

1. Der Begriff des Nutzens wird hier nicht im Sinne einer direkten, auf den Markt abzielenden Verwertbarkeit verstanden. Die zur Verbesserung unserer Welterkenntnis notwendige Grundlagenforschung wird durch den verwendeten Nutzenbegriff selbstverständlich nicht ausgeschlossen.

2. Der normative Aspekt des Nutzens darf – wenn es um die Konstruktion wahrer Erkenntnisse geht – innerhalb der aufklärerischen Tradition nicht die Anwendung der Verfahren der Logik und Empirie beeinträchtigen. Eine Idee, die nützlich ist bzw. erscheint, aber der logischen und/oder empirischen Überprüfung nicht standhält, kann im Kontext der aufklärerischen Tradition selbstverständlich nicht „wahr“ genannt werden.

3. Der eingeführte pragmatische Aspekt bezieht sich nicht direkt auf den Nutzen einer konkreten Wahrheit (im Sinne von: "Wahr ist, was nützlich ist"), sondern den Nutzen der wahrheitskonstruierenden Verfahren ("Als (vorläufig) wahr kann gelten, was der Überprüfung  durch die als nützlich erwiesenen Verfahren der Logik und Empirie standhält!")  Mit anderen Worten: Als nützlich müssen sich die Werkzeuge der Wahrheitsfindung bzw. -konstruktion erweisen, nicht unbedingt die konkreten Ergebnisse dieses Prozesses. Das Wissen der Wahrheit  kann zwar in der Regel als nützlich angesehen werden, jedoch ist dies nicht immer der Fall.  (Für konspirative Gruppen beispielsweise ist es hilfreich, wenn der Einzelne nicht den vollen Überblick besitzt, somit kann er durch potentielle "peinliche Verhöre" nicht dazu gebracht werden, die gesamte Organisation ans Messer zu liefern.) 

4. Auch wenn wir gut belegen können, dass sich die Verfahren der Logik und Empirie für das Projekt der Humanisierung der Lebensverhältnisse als nützlich erwiesen haben, so ist damit nicht ausgesagt, dass sie nur einem solchen, humanen Zweck dienen können. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass Logik und Empirie als die effizientesten Methoden der Natur-/Kulturerkenntnis und -beherrschung sich in den Dienst jeder noch so inhumanen Weltanschauung stellen können. Ein Phänomen, das uns leider immer wieder begegnet, wenn wir das hartnäckig umkämpfte Terrain des weltanschaulichen Widerstreits betreten.

 

4. Das Wahrheitskonzept der Aufklärung im weltanschaulichen Widerstreit

Halten wir zunächst einmal fest: Wir haben gesehen, dass Aufklärer (auf der Basis einer pragmatischen, hypothetisch korrespondierenden Kohärenztheorie) die erprobten Verfahren der Logik und Empirie nutzen, um durch effiziente Problemlösungen zu einer Humanisierung der menschlichen Lebensverhältnisse beizutragen. Bei diesem hoffnungsvollen Unternehmen stoßen die Aufklärer jedoch auf hartnäckige Kontrahenten:

Als erstes sind hier all jene zu nennen, die Logik und Empirie – ähnlich wie die Aufklärer – konsequent einsetzen, allerdings – und das macht den Unterschied aus – nicht zum Zwecke der Humanisierung der Lebensverhältnisse, sondern beispielsweise zugunsten einer kalten Profitmaximierung, die im Notfall auch über Leichen geht. (In diesem Zusammenhang sei beispielsweise an die illustre Schar westlicher Wissenschaftler erinnert, die es Saddam Hussein ermöglichten, Giftgas gegen Kurden einzusetzen.)  Solchen stets dienstbereiten Wissenschaftlern ist entgegen zu halten, dass Wahrheit niemals zur bloßen Ware verkommen darf und dass mit großen Kräften stets auch große Verantwortung verbunden ist.

Eine zweite Gruppe von Antiaufklärern scheint mindestens ebenso gefährlich zu sein, nämlich die Gruppe derer, die Logik und Empirie einerseits rigoros aus dem Bereich ihrer Weltanschauung verbannen, die sich aber andererseits zur Erreichung ihrer Zwecke immer wieder gerne der Früchte des wissenschaftlichen Forschungsprozesses bedienen. Ich spreche hier von der Gruppe der religiösen Fundamentalisten, zu der all jene gehören, die – ähnlich dem Jesus der Bibel – überzeugt sind, dass es möglich ist, per Offenbarung in den Besitz „ewiger Wahrheiten“ zu gelangen, die für alle zu gelten haben.

Ich setze im Fall der religiösen Fundamentalisten den Begriff „Wahrheiten“ ausdrücklich in Anführungszeichen, weil es sich bei deren „offenbarten Wahrheiten“ aus dem Verständnis der Aufklärung heraus nicht um „Wahrheiten“ handelt, sondern um gefährliche Illusionen, Bewusstseinstrübungen, Irrlehren. Zweifellos stellen diese von Außen mitunter wahnwitzig erscheinenden „Irrlehren“ für die Anhänger der jeweiligen religiösen Systeme – hier muss man Feyerabend Recht geben – eindeutige und gut begründete „Wahrheiten“ dar. Tragischerweise kann dieser innertraditionelle „Wahrheits“-Status nur von außerhalb der jeweiligen religiösen Tradition entzaubert werden. Und weil dem so ist, ist es kaum möglich, einen traditionsverhafteten Fundamentalisten von der logischen oder empirischen Widersprüchlichkeit seines Denksystems zu überzeugen. (Bevor man also in der Diskussion mit unverbesserlichen Fundamentalisten in die missliche Lage kommt, selber den Verstand zu verlieren, sollte man besser an den Ursachen ansetzen, die die diversen fundamentalistische Heilserzählungen überhaupt erst attraktiv machen. Zu nennen sind hier vor allem: Armut, soziale Ungerechtigkeit und mangelhafte Bildung. )

Es gibt aber noch eine dritte Gruppe, die den Erfolg der Aufklärung behindert. Es ist die in unseren Breitengraden wohl zahlenmäßig stärkste Fraktion, die Gruppe der Indifferenten, Gleichgültigen, die einigermaßen sorglos die Früchte der Aufklärung genießen und überhaupt nicht verstehen, dass es notwendig ist, sich für das Projekt der Aufklärung entschieden einzusetzen. Innerhalb dieser Gruppe ist das Beliebigkeitstheorem ausgesprochen beliebt, entbindet es sie doch von der anstrengenden Aufgabe, im weltanschaulichen Widerstreit eindeutig Position zu beziehen.

Dies könnte sich freilich in absehbarer Zeit als fatal erweisen. Denn wenn die vielfältigen Probleme der Menschheit nicht möglichst bald systematisch und in einem humanen Sinne angegangen werden – und das verlangt neben Logik und Empirie einiges an Kampfeswillen –, werden mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem Fundamentalisten in die Lage versetzt werden, den Ton anzugeben, nach dem die Verhältnisse zu tanzen haben. Da die Risiken und Nebenwirkungen der fundamentalistischen Medizin mittlerweile hinreichend bekannt sein dürften, kann ich an dieser Stelle darauf verzichten, auf die tödlichen Folgen näher einzugehen. [14]

Ich komme zum Schluss: Der Aufklärer muss – so schwer es auch fallen mag – den schmalen Grat zwischen Dogmatismus und Beliebigkeit konsequent zu Ende gehen. Er muss den Fundamentalisten entschieden widersprechen, wenn diese glauben, im Besitz der ewigen Wahrheit zu sein. Für den Aufklärer gibt es per definitionem keine offenbarte Wahrheit, keine heilige Schrift, kein von religiösen Führern sanktioniertes Denktabu. Gleichermaßen entschieden muss der Aufklärer aber auch den Befürwortern der Beliebigkeit entgegentreten. 2+2 ist und bleibt für ihn 4 – selbst dann noch, wenn die überwältigende Mehrheit der Menschen glaubt, dass die Formel 2+2=22 eine faire und ästhetisch adrette Kompromisslösung sei für den weltanschaulichen Widerstreit zwischen den Anhängern der 10 Gebote (2+2=10) und den Freunden der 36-Stundenwoche (2+2=36). Selbst wenn die kompromisslose, aufklärerische Haltung postmodernen Beliebigkeitsaposteln als dogmatisch erscheinen mag: Aus logischen wie empirischen Gründen muss der  Aufklärer einem solchem, ach so „demokratischen“ Konsens widersprechen, schließlich weiß er, dass Häuser, Brücken, Gesundheits- oder Rentensysteme, die nach der Formel 2+2=22 gebaut werden, über kurz oder lang in sich zusammenbrechen werden.

Fazit: Der Kampf um einen empirischen wie logischen Kriterien entsprechenden Wahrheitsbegriff ist beileibe keine elfenbeinerne Akademieveranstaltung, sondern bei genauerer Betrachtung ein Kampf für humanere Lebensverhältnisse. In diesem notwendigen Kampf sollten sich diejenigen, die sich der Tradition der Aufklärung verpflichtet fühlen, nicht beirren lassen – weder von rückwärtsgewandten Dogmatikern, die in den antiken Reden Jesu oder Mohammeds etc. „ewige Wahrheit“ zu erkennen glauben, noch von zeitgeistgespülten Beliebigkeitsfanatikern, die allen Ernstes meinen, in Sachen „Wahrheit“ unablässig von Pontius zu Pilatus wandern zu müssen…

 

Anmerkungen:


[1] vgl. beispielsweise Lapide, Pinchas ((1987): Wer war schuld an Jesu Tod? Gütersloh;  Maccoby, Hyam (1982): König Jesus. Die Geschichte eines jüdischen Rebellen. Tübingen.

[2] vgl. Czermak, Gerhard (1997): Christen gegen Juden. Geschichte einer Verfolgung. Reinbek; Riggenmann, Konrad (2002): Kruzifix und Holocaust. Über die erfolgreichste Gewaltdarstellung der Weltgeschichte. Berlin.

[3] Feyerabend, Paul (1979): Erkenntnis für freie Menschen. Frankfurt/M., S. 54

[4] ebenda

[5] Der Begriff des „Widerstreits“ ist nicht zufällig einer der zentralen Begriffe der „postmodernen“ Philosophie Lyotards, der – wenn auch weniger drastisch, als dies bei Feyerabend geschieht –Pluralismus/Relativismus zum Dreh- und Angelpunkt des Denkens macht, vgl. Lyotard, Jean-Francois (1987): Der Widerstreit. München.

[6] Feyerabend 1979, S. 60f.

[7] Selbstverständlich will Feyerabend gewaltsame intertraditionelle Übergriffe verhindern. Hierfür sieht er eine „Polizei von außen“ vor, die die „physische Bewegungsfreiheit, aber nicht den Flug der Gedanken einschränkt“. Abgesehen davon, dass er die Leitmaximen einer solchen „Polizei“ nicht offen legt, hat seine Argumentation den Makel, gegenüber den vielfältigen Formen intratraditioneller Gewalt prinzipiell machtlos zu sein.

[8] Vgl. Schmidt-Salomon, Michael (1999): Erkenntnis aus Engagement. Grundlegungen zu einer Theorie der Neomoderne. Aschaffenburg, S.68ff.

[9] vgl. Kant, Immanuel (1983): Kritik der reinen Vernunft. In: Kant, Immanuel: Werke in zehn Bänden. Bd. 3 u. 4. Darmstadt.

[10] Vgl. Nietzsche, Friedrich (1954): Jenseits von Gut und Böse. In: Nietzsche, Friedrich: Werke in drei Bänden. Herausgegeben von Karl Schlechta. Bd. 2. München, S.586

[11] Ein Begriff von Konrad Lorenz, vgl. Lorenz, Konrad (1977): Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte des menschlichen Erkennens. München.

[12] Dies ist bekanntlich der Ansatzpunkt der evolutionären Erkenntnistheorie, vgl. u.a. Vollmer, Gerhard (1975): Evolutionäre Erkenntnistheorie. Stuttgart.

[13] Wie jede normative Kernaussage ist auch diese nicht wahrheitsfähig. Es handelt sich um eine willkürliche Festlegung, die sich in letzter Instanz der logischen und empirischen Überprüfung entzieht. So peinlich dieser Sachverhalt auch ist, kein Denksystem, das sich der Wirklichkeit stellt, kann auf derartige normative Fundamente verzichten. Dies gilt selbst für den Feyerabendschen Anti-Fundamentalismus, wie weiter oben ausgeführt wurde (vgl. hierzu auch: Schmidt-Salomon, Michael (2001): Das „Münchhausentrilemma“ oder: Ist es möglich, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen? In: Aufklärung und Kritik: Hans Alberts Kritischer Rationalismus. Sonderheft 5/2001).

[14] Zum Thema „Fundamentalismus“ sind in den letzten Jahren zahlreiche Bücher erschienen. Einen guten Überblick über die Bandbreite fundamentalistischer Aktivitäten ermöglicht auch die Lektüre der „Internationalen Rundschau“ der Zeitschrift MIZ, die seit rund dreißig Jahren religiöse Entwicklungen in aller Welt kritisch kommentiert.

home.gif (20220 Byte)