"Ein Spitzenprodukt spätmoderner Entkategorisierung: Comic, Doku-Soap und Philosophie vom Feinsten!"

Eines ist klar: In jenem christlich-katholischen Weltbild, das dem Erzähler als Bühne seiner Geschichte dient, gehört dieses Buch auf die Indexliste. Das Schicksal als Librorum prohibitorum (verbotenes Buch) wäre allerdings tragisch, denn dieses Buch ist nicht nur ein dynamisch geschriebener und flüssig zu lesender Roman, nicht nur eine abenteuerliche, spannende und erotische Geschichte, nicht nur tiefsinnig und witzig, voller Ironie, Lebensfreude, sprühender Ideen und unerwarteten Wendungen. Es ist mehr: Schon nach wenigen Zeilen vermag Stollbergs Inferno im Lesenden selbst ein Inferno zu entfesseln, einen ebenso rasanten wie üppigen Bildersturm, eine Höllenfantasie, die zunehmend leiblich erfahrbar wird. Gelingt es dem Autor doch nachhaltig, alle Sinne des Lesers zu aktivieren. In beeindruckender Intensität schildert er Gerüche und Geräusche, taktile, visuelle und geschmackliche Wahrnehmungen seiner Hauptperson.

Jan Stollberg, im irdischen Leben als Religionskritiker wirkend, findet sich nach seinem plötzlichen Tod zu seiner eigenen Überraschung in der christlichen Vorhölle wieder. Verdammt zu absurder Tätigkeit trifft er dort auf andere “Gesinnungstäter”. Camus, der sein Begleiter wird, Nietzsche, Marx, Bakunin, Feuerbach, aber auch Bloch, Sartre, Fromm, Adorno und andere haben sich der gleichen Todsünden schuldig gemacht: der Kritik oder, schlimmer noch, der Leugnung Gottes. Da weder die Qualen der Vorhölle noch die 6 mal 66 inquisitorischen Verhöre durch die “Schergen” Gottes zu Läuterung und Gottesbekenntnis führen, erwartet alle der Gang zur himmlischen Rampe und dort: der Sprung ins ewige Fegefeuer. Der bevorstehende Abtransport Feuerbachs aber mobilisiert die geschundene Gemeinschaft der Aufrechten dann zur kühnen Revolte gegen die maßlose Unmenschlichkeit eines unsichtbaren Gottes.

In dieser Szenerie entfaltet sich die Leitfrage des Romans: Wie leben und sterben ohne metaphysischen, das heißt jenseits der Erfahrungswelt liegenden Sinn? Wie sich zu einer absurden Existenz stellen? Meisterhaft versteht es der Autor, seine Erkundungen im Bild der aufgeklärt und zutiefst menschlich in jenseitiger Kulisse agierenden Akteure auf die Spitze zu treiben. Salomons Drehbuch zielt nicht darauf, Gottes Existenz zu widerlegen, vielmehr interessiert: Was wäre, wenn Gott tatsächlich existieren würde? So lässt er Camus sagen: “Das Leben ist nicht deshalb absurd, weil kein über den Tod hinausweisender Sinn und damit kein Gott existiert, sondern erst die Existenz Gottes bringt die Logik des Absurden zur Vollendung.” Die höchst vital auftretenden Figuren geben keine letztgültigen Antworten. Aber sie demonstrieren in geistreichen Dialogen, dass selbst die Hölle – die jenseitige allemal – ein lebenswerter Aufenthaltsort sein kann, wenn Menschen ihre Menschlichkeit leben. Stollberg revoltiert noch im Sterben gegen die Absurdität seiner Existenz. Er wird scheitern und erfährt sich doch bis zuletzt als einen glücklichen Menschen.

Das vorliegende Buch ist unvergleichbar mit anderen philosophisch grundierten Romanen wie Sophies Welt, die Göttliche Komödie, die Satanischen Verse. Es ist anders: Eine höllisch gute Story, temporeich und kurzweilig. Ein Spitzenprodukt spätmoderner Entkategorisierung: Comic, Doku-Soap und Philosophie vom Feinsten.

Ein überaus empfehlenswertes Buch, das gerade auch dem chronisch erschöpften Philosophiebibliomanen Denk- und Leselust verspricht.

Kathrin Schulz, der blaue reiter, Journal für Philosophie Heft 17/2003

"Buße macht frei!"
M. S. Salomons philosophischer Roman „Stollbergs Inferno“ -
ein subversiver Beitrag zum "Jahr der Bibel"

Der Aschaffenburger Alibri-Verlag, in dem Salomons Roman Anfang 2003 erschienen ist, kündigte „Stollbergs Inferno“ als „kritisches Update zu Dantes Göttlicher Komödie“ an, die Internetplattform www.humanist.de bezeichnete das Buch als die „Satanischen Verse des Christentums“. Zweifellos ist es ungewöhnlich, gleich zwei Werke der Weltliteratur anzuführen, um einen Erstlingsroman zu beschreiben. So etwas muss Skepsis wecken. Und doch: Auch wenn der Autor stilistisch völlig andere Wege geht als Dante in der Comedia Divina oder Rushdie in den Satanischen Versen, der Roman hält durchaus, was er verspricht. Schon allein das vorangestellte Motto des Romans „Das stärkste Argument gegen Gott - wäre der Beweis seiner Existenz“ enthält mehr philosophische Substanz als manches 500 Seiten-Buch. Darüber hinaus liegt dem Roman eine Geschichte zugrunde, die sich - auch hier unterscheidet sich Stollbergs Inferno wohltuend vom belletristischen Mainstream - wirklich lohnt, erzählt zu werden.

Worum geht es? Jan Stollberg, Professor für Philosophie und renommierter Religionskritiker, erleidet während einer Vorlesung seinen dritten Herzinfarkt. Er weiß, dass er sterben wird, versucht sich mit dem Unausweichlichen, dem Ende seiner Existenz, abzufinden, doch zu seiner maßlosen Überraschung findet er sich plötzlich im Heiligen Purgatorium wieder. Eine Stimme herrscht ihn an, ob er seine Sünden wie seine Abkehr von Gott bereue. Als er daraufhin - eher verwundert, als entsetzt - auflacht, saust der Stuhl, an den er gefesselt ist, für kurze Zeit in die Tiefe des Flammenmeeres. Die Inquisitoren bieten ihm die Chance der Läuterung: Er erhält eine Gnadenfrist von 6 mal 66 Verhören. Im siebten Ring der Vorhölle, in die er zwischenzeitlich zur Strafe geschickt wird, trifft er auf Albert Camus, der noch immer mit dem Absurden ringt, auf Friedrich Nietzsche, der nun anscheinend völlig verrückt geworden ist, auf Karl Marx, dem die Hoffnung auf ein "Reich der Freiheit" postmortal endgültig abhanden gekommen ist, auf Ludwig Feuerbach, Bertrand Russell, Ernst Haeckel, Ernst Bloch, Herbert Marcuse, Theodor Adorno, Michail Bakunin u.v.m.. Es ist eine wahrlich illustre Versammlung kritischer Geister, die hier - als "Todsünder" unter erniedrigendsten Umständen ihre Taten und Gedanken büßend - die Absurdität der menschlichen Existenz ergründen. Die Zeit der Diskurse ist allerdings endgültig vorbei, als Feuerbach aus dem Lager in die Hölle abtransportiert werden soll und die Männer Verbindung zum Frauenlager aufnehmen. Gemeinsam planen sie den Aufstand gegen die Diktatur des biblischen Rachegottes. Ihr Weg durch das System der Vorhöllen ist mit allerlei Unvorhergesehenem gespickt und die Rebellierenden haben zahlreiche haarsträubende Abenteuer zu überstehen, bis sie schließlich vor dem Tempel Gottes stehen. In einem fulminanten dreifachen Schluss, der trotz aller Überraschungen vollkommen plausibel ist, findet der Roman ein perfektes Ende.

Autor M. S. Salomon hat das getan, was die meisten Christen auch in diesem Jahr 2003 (dem "Jahr der Bibel") sicherlich nicht tun werden, er hat die christliche Bibel gelesen und sie ernst genommen, die angeblich "herrlichen Geschichten", mit denen den "Ungläubigen" gedroht wird - der Apokalypse, den Höllenqualen, dem Allmachtsanspruch -, und so ist es konsequent, wenn er (der 1967 geboren wurde) die Vorhöllen mit den nazistischen Konzentrationslagern vergleicht, nur dass über dem Lager der Vorhölle nicht "Arbeit macht frei" steht, sondern "Buße macht frei". Manche Gläubigen werden sich in diesem Spiegelbild, das ihnen da durchaus bibelgerecht entgegengehalten wird, nicht erkennen wollen, es aber dennoch nicht vermeiden können, sich den unbequemen Fragen, die der Roman aufwirft, zu stellen.

Salomon, der mehrere Jahre an der Universität Trier lehrte, kennt - wie man auch dem mit spitzer Feder geschriebenen Glossar des Romans entnehmen kann, seine kritischen Philosophen und ihre Äußerungen zur Welt, zum Denken und zum tatsächlichen Handeln aus dem FF. Es hat ihm offensichtlich großen Spaß gemacht, den er dem Leser mitzuteilen vermag, die berühmten Philosophen, Wissenschaftler und Künstler miteinander reden, planen, streiten, Kompromisse schließen und handeln zu lassen. In diesem Sinn ist Stollbergs Inferno keineswegs eine kurze Geschichte der Philosophie, sondern eine schlüssige Abfolge handlungsorientierter Diskurse über die verschiedenen philosophischen Ansichten der Realität des Handelns und der Religionen.

Ungewöhnlich an diesem Roman ist, dass er einerseits ungemein kompromisslos, scharf und kämpferisch ist, anderseits aber auch auf seltsame Weise abgeklärt. Der Roman und seine vielen Ideen, Überraschungen, Wendungen und Bewertungen sind getragen von einer tiefen Menschlichkeit, Lebensfreude und Selbstironie, die in der Literatur selten geworden zu sein scheint, der es aber wohl auch bedarf, um sich auf ein derartiges Thema einzulassen. Die Sprache des Romans ist klar und ohne falsche Scham, so dass auch noch die vorgeblich unaussprechlichsten Situationen keine Spur von Peinlichkeit enthalten oder verursachen. Es ist der Bericht über ein Geschehen in Zuständen der Düsternis und ein unverdrossener Zuspruch, Mut zu haben über sich selbst hinaus zu wachsen - wenn es denn möglich ist. Kurzum: Ein ungewöhnlicher, subversiver Beitrag zum Jahr der Bibel, der auch all jenen zur Lektüre empfohlen sei, die sich auf der anderen Seite des weltanschaulichen Grabens befinden.

Carsten Frerk, humanismus aktuell 1/2003

Ein höllisches Vergnügen!

Wer den Vorspruch des Romans (Das stärkste Argument gegen Gott - wäre der Beweis seiner Existenz) auf Anhieb versteht, für den wird seine Lektüre ein reines Vergnügen sein. Andernfalls muss man nur den Zweifel als Ausgangspunkt des Denkens schätzen und ein wenig weltanschaulich aufgeschlossen sein. Der Leser wird dann reich belohnt, z. B. durch Teilnahme an Verhören des göttlichen Inquisitors, denen der verstorbene Religionskritiker und Philosoph Stollberg ausgesetzt wird. Seine fantastischen Erlebnisse in der (katholischen) Vorhölle und die Solidarisierung der dort versammelten Geistesgrößen und Todsünder lassen einen nicht mehr los. Die exakt durchgeplante Story verbindet auch philosophischen Tiefgang mit bewundernswerter und witziger Lockerheit. Die Begleitung der verschwörerischen Philosophen durch die verschiedenen Vorhöllen auf dem Marsch zur Revolte gegen Gott ist ein intellektuelles Vergnügen, und die Spannung steigt. Ein hervorragendes Glossar erläutert das Wesentliche zu den in die Geschichte integrierten Denkern. Man kann nicht anders, als diesen Romanerstling eines Philosophen und Musikers in einem Zug zu verschlingen. Ein köstliches und leicht lesbares Buch, das man auch jungen Leuten empfehlen kann.

Gerhard Czermak, Friedberg

"Wollt ihr den totalen Gott?"

Wollt Ihr den totalen Gott? Wer sich diese Frage stellt, liegt beim Kauf dieses Buches gewiss nicht falsch, denn schon das dem Text vorangestellte Motto gibt eine klare Antwort: das stärkste Argument gegen Gott - wäreder Beweis seiner Existenz!
Vom Aschaffenburger Alibri-Verlag als "kritisches Update zu Dantes Göttlicher Komödie" angekündigt und von der Internetplattform www.humanist.de als die "Satanischen Verse des Christentums" bezeichnet, ist es dem Autor M.S. Salomon (Zitat: "Das Christentum hat sich seine Sonderstellung als 'dümmste Religion' redlich verdient!") damit auf jeden Fall gelungen, ein wahrhaft vortreffliches, subversives Buch zum richtigen Zeitpunkt, dem Jahr der Bibel, herauszubringen, das denkfreudigen Christen als Abwechslung zur vermeintlich frohen Botschaft hiermit nahegelegt sei - auch wenn die meisten von ihnen wie üblich weder das eine noch das andere Buch lesen werden. Zu schade...
Das schon leidlich ausgetretene Thema, ob der christliche Gott denkbar sei und welches wahrhaft Gläubige wohl bis zur Apokalypse erfolglos zu argumentieren versuchen werden, ersetzt der Autor durch die viel bohrendere Frage, ob ein solcher Gott, wenn es ihn denn überhaupt gäbe, ein wünschenswertes Wesen wäre, geschweige denn eines, dessen menschenverachtenden Regeln wir uns durch Anbetung unterordnen sollten.
Und so entführt er uns auf geistreiche, zynische und amüsante Weise in die Absurditäten der Vorhölle: sein Held Jan Stollberg, Philosoph und berühmter Religionskritiker, findet sich nach einem tödlichen Herzinfarkt während einer Universitätsvorlesung zu seiner größten Verwunderung plötzlich im Heiligen Purgatorium wieder, wo er unter grausamster Folter seiner Todsünde, dem Unglauben am dreifaltigen Gott der katholischen Kirche, abschwören soll. Unfähig, sein Lebenswerk unmittelbar zu verleugnen, wird ihm eine Gnadenfrist von 6 mal 66 weiteren Verhören gewährt, zwischen denen er seine Zeit in der Vorhölle der Todsünder verbringen muss. Dort begegnet er den reichsten Geistern der Menschheitsgeschichte, z.B. Albert Camus, Friedrich Nietzsche, Karl Marx, Ludwig Feuerbach, Bertrand Russell und vielen anderen, die in diesem Martyrium über Sinn und Unsinn des Seins in einer mit der christlichen Leere kompatiblen Welt nachsinnen, während sich die Armen im Geiste in ihrem Himmelreich darüber keine Gedanken machen.
Als schließlich Ludwig Feuerbach zur himmlischen Rampe deportiert werden soll, von wo aus er in den Abgrund der ewigen Hölle verbannt würde, revoltiert der menschliche Verstand in Person der verstorbenen Philosophen und Humanisten gegen Gott und damit die Absurditäten, die sein Sein implizieren würde: sie verbünden sich mit den Insaßinnen des Lagers der Todsünderinnen und machen sich auf, Gott von seinem unverdienten Thron zu stürzen! Auf dem Weg durch die verschiedenen Vorhöllen, vorbei an Konzentrationslagern für Juden, trefflicherweise mit der Aufschrift "Buße macht frei", auf Reisen durch von Glaubenskriegen verwüstete Vorhöllen für Moslems, Hindus, Buddhisten und andere Falschgläubige, durch das glaubenskitschverklärte Purgatorium zu kuschelweicher Christen und an noch absurderen Vorhöllen des katholischen Glaubens vorbei, stoßen die Vorkämpfer der menschlichen Vernunft bis in den Himmel vor - wo sich ein in der Tat apokalyptisches wenn auch logisches und zugleich nachdenklich stimmendes Ende abzeichnet...
Als akademisch gebildeter Philosoph weiß M.S. Salomon nicht nur stilgerechte, virtuelle Dialoge zwischen den historischen Geistesgrößen aus Philosophie, Wissenschaft und Kunst zu spinnen, er versorgt den Leser auch in einem Anhang mit Biographien aller handelnden Charaktere. Eine sehr lobenswerte Idee, die den Leser zum Nachrecherchieren einlädt! Sein eigener, lockerer Stil greift schonungslos religiöse Wahnvorstellungen an und setzt sie in Kontrast zum unbändigen Lebenswillen des Menschen, der sich in der Geschichte in einem schillernden Kaleidoskop aus Freundschaft, Liebe, Sexualität und grenzenlosem Idealismus widerspiegelt, um der Absurdität unserer Existenz zu trotzen und damit einen Sinn zu verleihen. So vergebens dieses Streben angesichts des unausweichlich erscheinenden Misserfolgs, unseres Todes, auch sein mag, wie sagte doch Albert Camus über den Archetypus menschlichen Scheiterns: "Ich verlasse Sisyphos am Fuße des Berges! Seine Last findet man immer wieder. Nur lehrt Sisyphos uns die größere Treue, die die Götter leugnet und die Steine wälzt. Auch er findet, dass alles gut ist. Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses Steins, jeder Splitter dieses durchnächtigten Berges bedeutet allein für ihn eine ganze Welt. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen."

Markus Mottl, Freidenker 1/03, Wien

"Ein unbedingt empfehlenswerter Action-Roman
mit sexuellen und philosophischen Ausschweifungen!"

Einige Bemerkungen vorab:

1. Leser des Buchs sollen derartig versunken in diese Reiselektüre gewesen sein, dass sie auf dem Bahnhof ihren letzten Zug verpasst haben, weil dieser Roman so spannend ist. Das ist gut nachvollziehbar.
2. Dass Camus, Nietzsche und Bakunin Gott vom himmlischen Thron schubsen, ist plausibel. Wieso sich aber Marx, Luxemburg, Zetkin daran machen, diesen Nebenwiderspruch vorab zu klären und sich am Sturz Gottes beteiligen ist nur dann verständlich, wenn man annimmt, dass Marx und seine autoritären Genossen post mortem von Nietzsche oder den Anarchisten überzeugt worden sind (oder aber, dass der alte Marx sich auf seine Jugend zurückbesonnen hat und ernst macht mit dem Ausspruch, dass der Anfang jeder Kritik die Religionskritik ist). Die Frage ist also: Sind Johann Most, Erich Mühsam etwa gleich in der Hölle verschwunden, was dieser Roman auszuschließen scheint, oder sind sie gar in den Himmel gekommen? (Wenn Gott das arrangiert hat, ist er noch schlimmer als wir alle befürchten.)
3. Dass sich im Fegefeuer schwellende Schwänze nach höllischen Orgasmusschwierigkeiten schließlich doch lustvoll entladen ist irgendwie tröstlich, doch an heißen Sex sollte mann sich als Schriftsteller doch besser erst im zweiten oder dritten Roman heranwagen. Auch die imaginierten Paradiesbilder (aus der Bounty-Werbung) gewähren tiefe Einblicke in die Seele von Jan Stollberg, des an Herzversagen dahingeschiedenen Helden des Romans.
4. Dass KZ-Wächer auch göttlicherseits instrumentalisiert werden und mit geistlicher Unterstützung die armen Seelen foltern und verhören – nun gut, also mir persönlich hätten fiese Jesuiten und blutrünstige Dominikaner vollkommen gereicht (wenn es denn sein muss, hätte ich statt dessen sogar noch einen weiteren Ausflug in die Porno-Ecke der Hölle akzeptiert) Aber das ist Geschmacksache.

Dass sich nach dem Ableben Philosophen noch einmal zusammen setzen, um in aller Ruhe über ihre Theorien zu sprechen, ist durchaus üblich. Macciavelli unterhält sich mit Montesquieu, Rousseau mit Voltaire und so weiter. In M.S. Salomos Roman treffen sich diverse religionskritische Denker in Dantes Höllenkreisen, stellen nebenbei noch einmal ihre Philosophien vor, werden gefoltert und verhört und dann abgeschoben in die Hölle.
Bis der frisch verstorbene Religionskritiker Jan Stollberg der Todsünderabteilung zugeteilt wird, haben sich Marx, Camus, Feuerbach (und was ist mit Bruno Bauer und Max Stirner???) irgendwie arrangiert mit dem Folterknast: Nietzsche spielt den Narren, Adorno ist der ewige Bedenkenträger, weil es ja kein richtiges Leben im falschen gibt. Sartre, Brecht, Bloch dürfen auch mitspielen. Bei einem Ausflug in eine weibliche Todsünderinnennebenhölle erfahren Feuerbach und Stollberg, dass die Gefangenen dort geputscht haben. Das ist das revolutionär-weibliche Element des Romans. (Zetkin, Luxemburg, Beauvoir und die besorgte Ehefrau von Karl Marx) Dadurch angeregt überwältigen die Philosophen ihre Aufseher, erledigen einige ahnungslosen Büttel des Systems, treffen unterwegs weitere religionskritische Prominenz, vertrauen zu Recht auf Überläufer und fehlende Kampfbereitschaft der himmlischen Wachmannschaften, treffen schließlich auf einen Gott, der ausschaut wie Jan Stollberg. Dieser wird erledigt. Daraufhin gibt Stollberg dann endgültig den Geist auf.

Ein Happyend versagt M. S. Salomon also seinen Lesern, was leider nur folgerichtig ist. Ergo: Ein unbedingt empfehlenswerter hochspannender und origineller Action-Roman mit sexuellen und philosophischen Ausschweifungen.

Rolf Cantzen, MIZ 2/03

"...als äußerst kurzweilige Lektüre wärmstens zu empfehlen!"

Was wäre, wenn die Kirche doch recht hat und es nicht nur den Himmel, sondern auch die Hölle gibt? Wir würden dumm aus der Wäsche schauen. So geht es auch dem Religionskritiker Jan Stollberg. Während einer Vorlesung erleidet er einen Herzinfarkt und findet sich zu seinem Erstaunen in der christlichen Vorhölle wieder. Stollberg befindet sich in der Vorhölle der Todsünder, die Gott verleugneten. Dort trifft er so berühmte Personen wie Camus, Nietzsche, Feuerbach, Marx und viele andere. Stollberg muß sinnlose Arbeiten verrichten, die nur von Verhören unterbrochen werden. Camus, der sein ständiger Begleiter wird, klärt ihn über die wahren Verhältnisse in Gottes Land auf. Die Bibel hat nicht nur mit der Schöpfungsgeschichte Recht, sondern es gibt auch nur einen Gott. So gibt es auch eigene Vorhöllen für Juden, Moslems und alle andren Religionen. Die Vorhöllen bestehen aus einem komplizierten System, in dem jedes Vergehen sein eigene Vorhölle hat. Findet man doch den Weg zu Gott, kann man unter Umständen das Paradies erreichen, andernfalls endet man im ewigen Fegefeuer. Auch Gott hat gelernt und sein Terrorregime optimiert. Angetan von der industriellen Vernichtung der Juden durch die Nazis, übernahm er die SS Schergen, die nun als Aufseher und Inquisitoren der Vorhölle fungieren und die Öfen des Fegefeuers anheizen. Stollberg erkennt, daß es nur einen Weg gibt, diesem Irrsinn ein Ende zu bereiten: Gott muß getötet werden. Zusammen mit Camus, Bakunin, Nietzsche und Elli, einer Frau aus der Vorhölle der Frauen entwickeln sie einen Plan. Wertvolle Tips gibt der Satan persönlich, den sie aufsuchen; demnach sind die Engel von Gott selber genervt. So wird auch der Erzengel Michael bereitwillig sein Schwert aushändigen, denn nur das kann Gott töten. So machen sie sich auf den Weg, zusammen mit Görlitz, einem Lagerkommandanten der Vorhölle, einem Nazi, denn nur er kennt die Codes, um die verschiedenen Stufen der Vorhölle zu durchqueren. M.S. Salomon hat einen ziemlich abgefahrenen Roman über die religiösen Wahnvorstellungen der Christenheit geschrieben. Voller Witz und Ironie geht er nicht nur auf die christliche Heilslehre ein, sondern gibt auch einen Schnelleinstieg in die Philosophie. Eine Vielzahl von Philosophen werden kurz vorgestellt und in die Geschichte integriert, so lernt man mehr über die Gelehrten als durch manches Sachbuch. Etwas fehl am Platze erscheint die ausgewalzte Sexszene, aber das sei verziehen. Man merkt dem Buch an, wieviel klammheimliche Freude es dem Autoren gemacht hat, dieses Buch zu schreiben. Salomon machte bisher vor allem Schlagzeilen wegen seines Theaterstücks "Das Maria Syndrom", das verboten wurde. Ansonsten schreibt der Philosoph Theoriebücher über Religion und die Zukunft. Das Buch ist als äußerst kurzweilige Lektüre wärmstens zu empfehlen. Insgesamt ein höllisches Vergnügen.

TERZ (autonomes Düsseldorfer Stadtmagazin) 5/2003

Gott und Nietzsche leben

Spannend, witzig und wissenswert – Michael Schmidt-Salomon legt mit „Stollbergs Inferno“ ein gelungenes Romandebüt hin

Von unserem Mitarbeiter
CHRISTIAN JÖRICKE

Was passiert, wenn ein Atheist plötzlich in die Hölle kommt und feststellen muss, dass es Gott, den Teufel und das Fegefeuer tatsächlich gibt, hat Michael Schmidt-Salomon in seinem faszinierenden Debüt-Roman „Stollbergs Inferno“ beschrieben.

Zu Stollbergs nicht geringem Erstaunen findet er sich nach seinem Tod in der Vorhölle wieder. Sein ganzes Leben lang versuchte der Religionskritiker Menschen von der Nicht-Existenz Gottes zu überzeugen und nun muss er feststellen, dass er sich irrte. Er befindet sich jedoch in guter Gesellschaft. Während er mühsam und unter Peitschenhieben Löcher ausheben und wieder zuschütten muss, erkennt er in seinem Nebenmann Albert Camus, der im Folgenden zu seinem engsten Gefährten wird.

Das Who is Who der Philosophie - von Adorno bis Nietzsche - ist in der untersten Vorhölle gefangen, die für diejenigen bestimmt ist, die sich aus ethischen oder philosophischen Gründen von Gott abgewandt haben. Jeder wird regelmäßig ins heilige Purgatorium gebracht, wo er die Chance erhält, seine Abkehr von Gott und sonstige Sünden zu bereuen, um in eine erträglichere Vorhölle oder gar in den Himmel zu kommen. Wer sich während diesen zahlenmäßig begrenzten Verhören nicht aufrichtig zu Gott bekennt, landet für alle Ewigkeit im Fegefeuer. Stollberg und Camus wollen sich nicht damit abfinden und planen einen Aufstand. Gott soll von seinem Thron gestürzt werden. Die intellektuellen Rebellen bringen die Wärter in ihre Gewalt und machen sich auf den Weg in den Himmel.

Fast 700 Jahre nach Dante zeigt der gebürtige Trierer Michael Schmidt-Salomon, was einen Ungläubigen erwarten kann, wenn von der Schöpfungsgeschichte bis zur Offenbarung des Johannes alles wahr wäre.

Die Herrschaft Gottes gleicht einer Diktatur. Nicht zufällig gibt es zahlreiche Analogien zum Dritten Reich. Dabei ist „Stollbergs Inferno“ nicht nur als Religions-, sondern auch als Gesellschaftskritik zu verstehen. Im Zentrum des Buches steht die Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz, der - hier folgt der Autor seinem Vorbild Albert Camus - nur im "Kampf gegen das Absurde" gefunden werden kann. Selbst auf die Frage, ob der Widerstand gegen das Widersinnige auch nach dem Tod einen Sinn ergibt, hat der bibelfeste Autor eine rationale Erklärung - und er gibt sie (Douglas Adams-Fans aufgepasst!) nicht zufällig in Kapitel 42.

Schmidt-Salomon erweckt in seinem faszinierenden Roman-Debüt die bedeutendsten Philosophen Europas zu neuem Leben, genauer gesagt: er zeigt sie in ihrem Leben nach dem Tod und flicht ihre Kernthesen in den Roman ein. Dies ist für den Laien wie den Fachmann gleichermaßen spannend. Und äußerst komisch, denn der Autor spielt auch mit den Schrullen der Dichter und Denker. Es kommt zu köstlichen Konstellationen und Dialogen. So haben sich zwar Camus und Sartre, die zu Lebzeiten wegen Sartres Sympathie mit den Kommunisten in einen Konflikt geraten sind, wieder vertragen, aber Adorno streitet sich jetzt permanent mit Erich Fromm. Spätestens das Glossar über die historischen Personen lädt zur weiteren Beschäftigung mit den Geistesgrößen ein.

„Stollbergs Inferno“ hat das Zeug zum Bestseller. Mit seiner ausgewogenen Mischung aus Spannung, Witz und Wissen sucht das trotz des geisteswissenschaftlichen Gehalts flüssig geschriebene Buch seinesgleichen. Während man gebannt die eigentliche Handlung verfolgt, durchlebt man gleichzeitig mehrere Hundert Jahre Kulturgeschichte.

Im Gegensatz zum Skandal-Musical „Das Maria-Syndrom“ wird sich der Roman nicht verbieten lassen können. Schließlich diente vor allem die Bibel - wenn auch ausschließlich ihre dunkelsten Kapitel - als Vorlage.

Christian Jöricke

stollbkl.jpg (10814 Byte) Das stärkste Argument gegen Gott wäre -
der Beweis seiner Existenz.

M. S. Salomon

Stollbergs
Inferno

Roman

ISBN: 3-932710-49-5
240 Seiten
Euro 16,-

 

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