Gedicht über schlechte Gedichte

Wer glaubt,
Daß er, was er in Versen singt,
In künstlerische Höhen schraubt,
Nur weil er Worte in Kreuzreime zwingt,
Oder in Paarreimen dichtet,
Auf was man denkerisch gern verzichtet;

Wer glaubt, Kunst zu erschaffen,
Indem er sterile Stabreime
Staunend stottert,

         Oder moderner,
       in             freien
                         Versen,
                             sich
                          Sehend
                      als
                   Dichter,
                 Auch
               fühlend,
          Wirklichkeit
       Zu ertasten
      vorgibt,
      Dabei
       Hohles
        umwol-
         kend,
          Irre
           Satzbau-
             Steine     Er-
                schaffend
 
              aufeinander-
                türmt;
 

Wer in Vergleichen sich ergeht,
Die wie Blumen im Winter
Oder Pferdekutschen in der Vergangenheit
Oder auch Morgenröte in östlicher Sonne
Einen Sinn zu verdunkeln scheinen,
Den es doch nicht gibt;

Wer also Worte ohne Inhalt formt,
Wer dichtet ohne zu denken,
Gleicht einem,
Der es vorzieht,
Außer Geschenkpapier,
Außer Verpackung,
Nichts weiter zu schenken;
Sein Werk ist wertlos,
Wie ein Brunnen ohne Wasser.

Also merke, Dichter:

Hast Du nichts auszudrücken,
Was suchst Du nach Ausdrücken?

Gedichte bedürfen
Des Gedachten.

       

M.S.Salomon 1990

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